Gemeindebrief Herbst 2025

Cover

Liebe Leserinnen und Leser,

„Es müssen nicht Engel mit Flügeln sein …“ – So dichtete Rudolf Otto Wiemer vor Jahren. Engel werden typischerweise mit Flügeln dargestellt. Egal, ob kleine Sandsteinputten oder große Statuen, die Engelchen am Bildrand der Sixtinischen Madonna oder der Engel auf der Siegessäule, sie alle haben Flügel.

Am 29. September ist der Tag des Erzengels Michael und aller Engel. Auch die evangelische Kirche begeht den Michaelistag. Michael ist in der Engelhierarchie so eine Art Chefengel. Ihm wird die Fähigkeit zugeschrieben, das Tun der Menschen nach Gut und Böse abzuwägen. Er führt die himmlischen Heerscharen an gegen das Böse (Offenbarung 12,7). Mich berühren vor allem die biblischen Erzählungen, in denen Menschen Engeln begegnen. Zum Beispiel Hagar (1. Mose 21), die mit ihrem Sohn verzweifelt, hungrig und schutzlos in der Wüste unterwegs ist. Der Engel ruft ihr zu: „Fürchte dich nicht, denn Gott hat gehört … Steh auf …“ In diesen uralten Geschichten wird Gottes Fürsorge für die Menschen spürbar.

Bei der Beschäftigung mit den Erzengeln ist mir etwas neu bewusst geworden. Alle drei Buchreligionen kennen Engel und Erzengel. Sie benennen sie sogar mit denselben Namen: Michael, Gabriel und Rafael. Judentum, Christentum und Islam beschreiben die Engel als von Gott geschaffen, ihm besonders gehorsam und Überbringer seiner Weisungen und Botschaften. Ihre vornehmste Aufgabe ist, den Menschen Gutes zu tun. Im Judentum und im Islam werden die Engel als Wesen aus Licht gesehen. Das Christentum sieht Engel eher als menschenähnliche Wesen mit Flügeln. Besonders hervorgehoben wird im Christentum der Erzengel Michael. Im Judentum wird die Heilkraft und Schutzfunktion des Engels Raphael betont. Sein Name bedeutet: „Gott heilt“. Im Islam ist Gabriel der wichtigste Engel. Er überbringt Gottes Offenbarung an den Propheten Mohammed.

Auf dem Titelbild sehen wir eine Ikone des Erzengels Gabriels in seiner Funktion als Bote Gottes. Die demütige Haltung zeigt ihn als Diener. „Christus ist der Retter“ – das ist seine Botschaft.

Die Vorstellungen von Engeln erzählen ja auch etwas darüber wie Menschen glauben. Ich finde es faszinierend, dass es in dieser Hinsicht etwas Gemeinsames in den drei großen Weltreligionen gibt. Ich wünschte, dass dieser Gedanke eine kleine Hilfe sei, sich Menschen anderen Glaubens anzunähern. Ich stelle mir vor, da ist eine, die bittet, dass Gott einen Engel schickt, der hungernde Kinder rettet. Da ist einer, der betet um einen Schutzengel für Menschen, die Gewalt erleben. Da gibt es Menschen, die glauben, dass Sterbende einen Begleitengel haben. Das tröstet mich. Das lässt mich hoffen, dass es nicht nur Stimmen von Hass und Aufhetzen gegeneinander gibt. Sondern es gibt eine Ahnung in vielen Menschen davon, dass wir alle in einer großen Barmherzigkeit geborgen sind. Einen Engel auf den Weg wünsche ich Ihnen.

— Anette Bärisch, Leiterin Haus der Stille, August 2025

Download